Unser neuestes JF:TEC-Mitglied Frau Jun.-Prof.’in Dr. Liane Bächler spricht im Interview über ihre Forschungsleidenschaft, die Unterstützung zur Teilhabe an Arbeit durch Technologien und warum sie sich der Herausforderung transdisziplinärer Forschung stellt.

Wir freuen uns in diesem Feature unser neuestes JF:TEC-Mitglied vorzustellen.

Jun.-Prof.’in Dr. Liane Bächler hat seit 2021 die Juniorprofessur für den Arbeitsbereich  „Assistive Technologien“ an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln inne. Wir haben sie zu ihrem Forschungsinteresse und ihren Einstieg beim Jungen Forum: Technikwissenschaften befragt.

Liebe Liane, möchtest Du dich kurz vorstellen und deinen akademischen Hintergrund beschreiben?

Gerne. Ich bin seit 2021 Juniorprofessorin für den Arbeitsbereich „Assistive Technologien in inklusiven Kontexten“ an der Universität zu Köln. Nach meinem Bachelor in „Pädagogik für Sprache und Bewegung“ in Karlsruhe habe ich meinen Master in dem Bereich „Pädagogik der frühen Kindheit“ an der Universität Konstanz absolviert. Mein bisheriges Schwerpunktthema – bedingt durch meine langjährige Mitarbeit in verschiedenen Forschungsprojekten –, ist das Handlungsfeld der Teilhabe an Arbeit durch technische Unterstützung.

Meine Dissertation habe ich zu diesem Handlungsfeld im Jahre 2020 veröffentlicht. Für mein Dissertationsprojekt habe ich inter- und transdisziplinär mit Ingenieuren und Informatikern als auch mit Praktikern zusammengearbeitet.

Was ist deine Leidenschaft?

Meine Leidenschaft ist es, die Befähigung, d.h. die Unterstützung und Erhaltung der Fähigkeiten, von Menschen durch technologische Unterstützung zu untersuchen. Meine Kernfrage war hierbei stets, wie lässt sich das menschliche Potenzial nutzen bzw. soweit unterstützen, dass das Individuum seine Fähigkeiten einsetzen und weiterentwickeln kann. Hierzu betrachte ich Technologieentwicklung immer im Kontext einer partizipativen Entwicklung. Menschen mit Barrieren im kognitiven, körperlichen oder/und physischen Bereich haben oft auch viel Lebenserfahrung und stellen eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt und ihr Umfeld dar.

An diesem Punkt finde ich die Frage spannend, wie konkret, d.h. auf welche Weise innovative Technologien unterstützen können, um auch Menschen mit geistiger oder/und körperlicher Behinderung in den Arbeitsmarkt einzubinden, indem z.B. die Arbeit durch die Technologien komfortabler gestaltet wird. Es geht darum, die Fähigkeit teilzuhaben, lange erhalten zu wollen und hierzu diejenigen mit Technologie zu unterstützen, die die Technologie auch wirklich brauchen.

Wie bist du auf JF:TEC gekommen?

Tatsächlich geht dies zurück auf die transdisziplinären Konferenzen zum Thema “Technische Unterstützungssysteme, die die Menschen wirklich wollen” in den Jahren 2014, 2016 und 2018. Nach intensiver Recherche für die Folgekonferenz bin ich dann über die Personenrecherche von Robert Weidner auf das Junge Forum: Technikwissenschaften gestoßen. Robert Weidner und Tobias Redlich, die Veranstalter der transdisziplinären Konferenz, sind mir in Erinnerung geblieben, und da sie JF:TEC gegründet haben, bin ich auf das Junge Forum: Technikwissenschaften aufmerksam geworden.

Im Jungen Forum: Technikwissenschaften entdeckte ich eine Gruppe, welche die Technikentwicklung sowohl unter sozialen, ethischen als auch politisch-rechlichen Aspekten betrachtet. Einen solchen Ansatz zum inter- und transdisziplinären Forschungsaustauch habe ich gesucht und in dem JF:TEC gefunden. Mir gefällt insbesondere der Spirit, den ich seit meinem Beitritt in den ersten Treffen des JF:TEC erlebe, sich interdisziplinär auszutauschen und offen von den eigenen Forschungsperspektiven zu berichten.

Was verstehst du unter transdisziplinärer Forschung?

Transdisziplinäre Forschung bedeutet für mich, dass Partner aus der Technologieanwendung einbezogen werden. Bei der Gruppe der körperlich oder kognitiv beeinträchtigten Personen handelt es sich um eine vulnerable Personengruppe. Es ist zwar mit einem erhöhten Aufwand verbunden, beeinträchtige Personen innerhalb der Forschungsarbeit einzubeziehen, z.B. können Sprachbarrieren bei Befragungen einen Einbezug der Gruppe der kognitiv Beeinträchtigten erschweren. Dennoch ist die Einbindung der Technologieanwender in die Forschungsprozesse aus meiner Sicht unerlässlich.

Welche Chancen oder Probleme bestehen für transdisziplinäre Forschung?

Das Spannende an transdisziplinärer Forschung ist, dass neue Lehrziele hinzukommen, neue Theorien und Methoden. Welche Perspektiven haben die anderen Technologieanwender und die Wissenschaftler anderer Disziplinen auf das Handlungsfeld? Wie evaluieren sie die Forschungsprozesse? Wie interpretieren sie die Forschungsresultate?

Wenn ich über einen Nachteil der transdisziplinären Arbeit nachdenke, dann ist es in erster Linie die Herausforderung, verschiedene Interessen zu vereinen. Am Ende landet doch wieder jeder in seinem Fachbereich. Ich weiß aus Erfahrung, dass die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit sehr kräftezehrend sein kann. Manchmal kommt man an einen Punkt, an dem Forschende aus anderen Disziplinen mich nicht verstehen oder ich verstehe nicht, was sie meinen.

Jedoch ist die fächerübergreifende Arbeitsweise mit Blick auf eine wissenschaftliche Fragestellung im Anschluss an die Phase der Bemühungen um das gegenseitige Verstehen sehr fruchtbar. Man muss gemeinsam versuchen, den zentralen Fragestellungen nachzugehen. Im Ergebnis werden gemeinsam neue Lernfelder für alle Beteiligten erschlossen.

Was interessiert dich am Jungen Forum: Technikwissenschaften besonders?

Mich interessiert insbesondere die anwendungsorientierte Ausrichtung auf Transdisziplinarität, d.h. die Zusammenarbeit mit Menschen in der Praxis. Um Lösungen zu finden, die hilfreich für die betroffenen Menschen sind, ist es unerlässlich, die Forschungsarbeit unter Einbezug dieser Menschen umzusetzen. Hierbei lege ich ein allumfassendes Verständnis von Teilhabe zugrunde. Es geht um Teilhabe an Arbeit, Kultur und Bildung. Teilhabe ist ein sozialpolitisches Ziel. Sie hat einen direkten Effekt und bereichert unsere Gesellschaft.

Was kann das Junge Forum: Technikwissenschaften in diesem Zusammenhang leisten?

Ich denke, dass dieser Trend, transdisziplinär zu arbeiten, auch eine Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen ist, die nicht mit den bisherigen Sichtweisen oder Methoden zu lösen sind. Dies lässt sich auch an den Fördermittelgebern beobachten. Interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung wird zwar „gerne gesehen“, jedoch ist dies nicht genug. Sie muss auch „gelebt“ und Problemstellungen ursachenbezogen, unter Einbeziehung der betroffenen Disziplinen und nachhaltig gelöst werden. Oftmals wird innerhalb der Förderlinien lediglich die Innovationsfähigkeit gefördert. So fließen zwar häufig Forschungsgelder für die Entwicklung von neuartigen Technologien für bestimmte Arbeitsprozesse, in dieser Entwicklung mangelt es jedoch häufig an der Einbeziehung der spezifischen Nutzergruppen und der sie vertretenden Fachdisziplinen. Es ist darüber hinaus notwendig zu erforschen, was für ein spezifisches Umfeld die jeweilige Technologie benötigt. Nachdem die Technologie entwickelt wurde, ist die erfolgreiche Implementierung und wissenschaftliche Begleitung mit Blick auf den menschlichen Nutzer notwendig. Es steht nämlich die Frage im Raum, von wem und mit welcher Wirksamkeit wird die Technologie genutzt?“

Das ist ein schöner Abschluss für unser Interview. Herzlichen Dank!

Weiterführende Links

Link zum Lehrstuhl Assistive Technologien in inklusiven Kontexten

Link zur Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln

Veröffentlichungen

Bächler, L. (2021): Zum Inklusionspotential assistiver Technologien im außerschulischen Kontext. Gemeinsam leben 1, 43-52.

Bächler, L (2021): Teilhabe durch Assistive Technologien: Eine Betrachtung aus sozialpolitischer, inklusions- und anerkennungstheoretischer Sicht. uk&forschung 11, 14-23.

Bächler, L. (2020): Teilnahme an Arbeit durch technische Assistenz: Eine Feldstudie in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Siegen: universi. (https://dspace.ub.uni-siegen.de/handle/ubsi/1683)

Baechler, A.; Baechler, L.; Funk, M.; Autenrieth, S.; Kruell, G.; Hoerz, T. & Heidenreich, T. (2016): The Development and Evaluation of an Assistance System for Manual Order Picking – Called Pick-by-Projection -with Employees with Cognitive Disabilities. In: Proceedings of the International Conference on Computers Helping People with special needs. Linz, S.321-328.

Baechler, L.; Baechler, A.; Funk, M.; Autenrieth, S.; Kruell, G.; Hoerz, T. & Heidenreich, T. (2016): The use and impact of an assistance system for supporting participation in employment for individuals with cognitive disabilities. In: Proceedings of the International Conference on Computers Helping People with special needs. Linz, S.329-332.

Geukes, C.; Bächler, L.; Bächler, A. & Heidenreich, T. (2016): Assistive technology for supporting participation in employment for individuals with intellectual disabilities. Journal of Intellectual Disability Research, 60 (7/8), S.784.

Baechler, A.; Baechler, L.; Autenrieth, S.; Kurtz, P.; Hoerz, T.; Heidenreich, T. & Kruell, G. (2016): A comparative study of an assistance system for manual order picking – called pick-by-projection – with the guiding systems pick-by-paper, pick-by-light and pick-by-display. In: Proceedings of the 49th Annual Hawaii International Conference on System Sciences, January 5-8, 2016, Computer Society Press (9 pages).

Bächler, A.; Bächler, L.; Autenrieth, S.; Behrendt, H.; Funk, M.; Krüll, G.; Hörz, T.; Heidenreich, T.; Misselhorn, C. & Schmidt, A. (2016): Systeme zur Assistenz und Effizienzsteigerung in manuellen Produktionsprozessen der Industrie auf Basis von Projektion und Tiefendatenerkennung. In: Wischmann, S. und Hartmann, E.A. (Hrsg.), Zukunft der Arbeit – Eine praxisnahe Betrachtung, 2016, Springer Verlag.

Bächler, A.; Bächler, L.; Kurtz, P.; Krüll, G.; Hörz, T.; Heidenreich, T. & Autenrieth, S. (2015): Assistenzsysteme für manuelle Industrieprozesse. In: Weidner, R.; Redlich, T.; Wulfsberg, J. P. (Hrsg.): Technische Unterstützungssysteme. Berlin Heidelberg: Springer, S.206-207.

Funk, M.; Baechler, A.; Baechler, L.; Korn, O.; Krieger, C.; Heidenreich,T. & Schmidt, A. (2015): Comparing projected in-situ feedback at the manual assembly workplace with impaired workers. In: Proceedings of the 8th international conference on pervasive technologies related to assistive environments. New York: ACM, article no.1.

Baechler, A.; Baechler, L.; Kurtz, P.; Kruell, G.; Heidenreich, T. & Hoerz, T. (2015): A Study About the Comprehensibility of Pictograms for Order Picking Processes with Disabled People and People with Altered Performance. In: Intelligent Interactive Multimedia Systems and Services. Cham (Switzerland): Springer, S.69-80.

Bächler, L., Bächler, A., Kölz, M., Hörz, T. & Heidenreich, T. (2015): Über die Entwicklung eines prozedural-interaktiven Assistenzsystems für leistungsgeminderte und -gewandelte Mitarbeiter in der manuellen Montage. In: Wendemuth, A.; Jipp, M.; Kluge, A. & Söffker, D. (Hrsg.): 3. Interdisziplinärer Workshop- Kognitive Systeme: Mensch, Teams, Systeme und Automaten. Magdeburg: DuEPublico, Beitrag 4.

„Wie und mit welcher Wirksamkeit wird die Technologie genutzt?“